Integraler Journalismus

Was, wenn Journalismus noch gesellschaftsdienlicher wäre? Und journalistische Arbeit noch sinnvoller? Und was, wenn sich das besser verkauft – auch bei jüngeren Menschen? 

Wozu das Ganze?

Hochwertiger Journalismus ist wundervoll und faszinierend. All die mutigen Reporter:innen, die aus Krisengebieten berichten. All die Rechercheur:innen, die unerschrocken Missstände aufdecken. All die Redakteurin:innen, die sich Knoten in ihre Hirne denken, um Ordnung und Sinn in den Fluss der Ereignisse zu bringen. 

Millionen Menschen können sich erst dadurch ein Bild von der Welt machen. Unsere demokratische Gesellschaft wird erst dadurch möglich. Doch leider hat der aktuelle Journalismus – oft vermutlich ungewollt – noch gesellschaftsschädigende Nebenwirkungen.

Der öffentliche Diskurs …

… folgt oft dem Motto »Streit schafft Reichweite«. Konflikte werden oft überbetont, Synthese konträrer Meinungen selten angestrebt. Sehr viele Menschen sehen das Abend für Abend in Talkshows, lesen solche Geschichten online oder auf dem Papier. Das normiert eine wenig hilfreiche Diskurskultur.

Die negative Newsflut...

… erzeugt Angst-, Verzweiflungs- und Ohnmachtsgefühle. Eine Handreichung, wie man damit umgeht, liefert sie fast nie. Das dürfte dazu beitragen, dass Menschen seelisch krank werden. Es lässt sich schwer messen, wie groß dieser Effekt ist. Aber er ist sicherlich größer als null.

Die Verzweiflung …

… die viele Berichte erzeugen – teils gezwungenermaßen, teils für Quote und Klicks –, führt zu sogenanntem »News Detox«. Laut aktuellen Umfragen verfolgen 30 bis 40 Prozent phasenweise keine Nachrichten mehr. Eine Demokratie braucht aber informierte Bürger:innen. 

Der Fokus der Berichte …

… das Skandalisieren, das Ausschlachten von Fehlern, der Fokus auf Randaspekte großer Probleme statt auf Systemzusammenhänge: All das trägt zu kurzatmigen Gesetzen bei, die Partikularinteressen überbetonen. Und es gibt fragwürdige Incentives, wer in der Politik Karriere macht.

Was ist integraler Journalismus?

Das Wort »integral« bedeutet sowohl »wesentlich« als auch »ganzheitlich«. Integraler Journalismus soll genau das leisten: Er kombiniert in wesentlichen Punkten konventionellen Journalismus mit anderen Wissensbereichen – etwa der Psychologie, Neurologie und Systemtheorie — und macht ihn so ganzheitlicher. 

Es werden stets konkrete Methoden aus diesen Bereichen genutzt, um die journalistische Arbeit an neuralgischen Stellen zu bereichern. Breiteres theoretisches Hintergrundwissen ist zur Anwendung nicht nötig.

Ziele

Oberziel ist eine möglichst hohe Gesellschaftsdienlichkeit. 

Unterziele sind:

  • eine Synthese möglichst vieler Perspektiven (Verständnisräume),
  • mehr Empathie (Verbindungsräume) 
  • mehr Inspiration, die Zukunft zu gestalten (Aktionsräume).


Das alles zusammen soll zu qualitativ hochwertigeren Informationen führen. Und damit zu besser informierten Bürger:innen. 

Und es soll dazu beitragen, dass sich der öffentliche Diskurs weiterentwickelt – und mit ihm die Qualität der Beziehungen und sozialen Felder in unserer Gesellschaft. Denn erst das ermöglicht Lösungsansätze für die komplexen Probleme unserer Zeit.

Die drei Unterziele definieren die Hauptfelder des integralen Journalismus: Kognition, Emotion und Aktion. 

Kognition

Im Feld Kognition geht es darum, mehr Perspektiven in angemessener Gewichtung in die Berichterstattung einzubeziehen.
 
Hilfreich dafür sind unter anderem Polaritäten-Management, die Quadrivia-Technik und ein geschärftes Bewusstsein wie Narrative und Paradigmen unser Denken strukturieren. 

Emotion 

Im Feld Emotion geht es um mehr Resonanz mit Protagonist:innen, Audience, dem kulturellen Kontext und sich selbst als Reporter:in.
 

Hilfreiche Techniken sind zum Beispiel die Polyvagaltheorie, das Circling, die personenzentrierte Gesprächsführung und Otto Scharmers vier Ebenen des Zuhörens. 

Aktion

Das Feld Aktion richtet den Fokus auf das, was entsteht oder entstehen will. In welchen Bereichen wir die Zukunft wie mitgestalten können. 
 
Hilfreiche Ansätze sind etwa der Solution Based Journalism und der Field Repair/Field Advancement-Ansatz. 

Alles drei zusammen

Neben den beschriebenen Methoden, gibt es einige universelle, die den Journalismus gleich in allen drei Feldern voranbringen.

Dazu zählen: Jane Loevingers Modell der Ich-Entwicklung, Otto Scharmers Theory U und Niklas Luhmans News-Selektoren.

Methodik

Aus folgenden Wissensbereichen werden Methoden und Techniken übernommen.

Entwicklungspsychologie

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Ich-Entwicklung nach Jane Loevinger, Susanne Cook-Greuter und Thomas Binder. Modell hierarchischer Komplexität nach Michael Commons. Moralentwicklung nach Lawrence Kohlberg. 

Kognitionspsychologie

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Kognitionspsychologie nach Daniel Kahneman. Polaritäten-Management nach Barry Johnson. Wertetrapez nach Friedemann Schulz von Thun. Typologie der kognitiven Verzerrungen nach Buster Benson. Factfulness-Prinzipien nach Hans Rosling. Deep Democracy nach Greg und Myrna Lewis.

Narrationspychologie

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Narrationspsychologie nach Dan McAdams. Journalistische Mythenforschung nach Jack Lule. »Complicating The Narratives«-Ansatz nach Amanda Ripley.

Emotionspsychologie

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Personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers. Metta Meditationen nach John Kabat-Zinn. Circling nach John Thompson. Emotionale Dialektik nach Julius Kuhl. Global Social Witnessing nach Thomas Hübl.

Kommunikationstheorie

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Diskursprinzipien nach Bernhard Pörksen und Friedemann Schultz von Thun. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Zirkuläres Fragen nach Fritz Simon. Gesprächsstörer nach Thomas Binder.

Neurologie

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Polyvagaltheorie nach Stephen Porges. 

Systemtheorie

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Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Theorie der öffentlichen Sphäre nach Jürgen Habermas. Field Repair und Field Advancement nach Christopher Buschow. Aktivitätsfelder nach Harry Gatterer. Theory U nach Otto Scharmer.